Materialkunde für Makler
Beim Immobilienverkauf kommen zunehmend Aspekte der Klimaverträglichkeit einer Wohnung zum Tragen, beobachtet Thomas Schüttken, Geschäftsführer bei BÖCKER-Wohnimmobilien.
Neulich diskutierten wir in großer Gruppe das Buch „Deutschland 2050“ von Nick Reimer und Toralf Staud. Letzterer war bei diesem digitalen Fachaustausch auch dabei. Folgender Satz des Autors ließ mich aufhorchen: „Die Städte heizen sich immens auf. Wir müssen daher schon heute überlegen, ob eine Eigentumswohnung in einem Dachgeschoss überhaupt noch eine gute Wertanlage ist.“ Autsch. Dass bestimmte, über Jahrzehnte beliebte Objekttypen demnächst Ladenhüter sein könnten, ist für Wohnungsmakler ebenso neu wie Skepsis im Gesicht junger Hauskäufer, wenn es um Objekte an Flüssen oder Bächen geht.
Noch eklatanter dürfte das Delta beim Themenfeld Material und Energieeffizienz sein. Sicher trifft man inzwischen erste Projektentwickler, die sich ein erstaunliches Wissen in Bezug auf Hybridbauten, Holzarten und KfW-Standards angeeignet haben. Architekten bilden sich in Sachen Gebäuderecycling und Materialkreislauf fort. Aber was tun wir, die wir die Verbindung zwischen immer besser informierten und wissensdurstigen Käufern und den Immobilienproduzenten bilden? Auch Makler müssen fachlich nachrüsten, denn die Fragen unserer Endkunden ändern sich. Sie geben sich schon heute nicht mehr mit dem Schlagwort CO₂-Einsparung zufrieden. Hier wird nach Berechnungen gefragt, woher die Einsparungen kommen und wie diese sich im Vergleich zu einem Neubau auswirken.
Ein völlig neues Storytelling wird verlangt, wenn es um Wohnungen geht, die aus Redevelopments hervorgehen. Hier muss überzeugend klargemacht werden, dass gebraucht nicht schlechter ist als neu, sondern im Grunde besser. Und dass Nachhaltigkeit in keinem Fall zulasten von Komfort, Qualität und Design etabliert wird. Auch hier wird der Strauß an Fragen an uns Makler immer größer und bunter: Wie nachhaltig wird die Immobilie nach dem Umbau sein? Welche Stoffe haben Sie entfernt und wie entsorgt oder wiederverwertet?
Wo kommen die neuen Baumaterialien her? Sind sie zertifiziert? Wie viel CO₂ wird für die Maßnahme emittiert? Hat die nachhaltige Objektsanierung einen positiven Impact auf das Viertel und das lokale Klima? Mit den meisten dieser Themen hatten wir bisher nichts zu tun. Aber wir erkennen an: Neben dem „Gut für den Käufer“ muss ein zweiter Erzählstrang etabliert werden, in dem es um „Gut fürs Klima“ geht. Wir werden unsere Maklerinnen und Makler schrittweise vorbereiten, aber auch die Lehrpläne müssen entsprechend angepasst werden.
Thomas Schüttken für die Immobilienzeitung
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